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Portrait #7: Sabeth vom Pavilleon

Von Taina Lopez

Nähe der Bahnhofstrasse, zwischen Geldinstitutionen und Polizeigebäude wurde auf dem Werdmühleplatz der ehemalige Ticketcorner wieder zum Leben erweckt. Seit einem Jahr haust dort nun der Pavilleon. Er wird für Konzerte, Diskussionen, Theater, Abendessen und etliche andere Formate genutzt. Vor allem ist er aber eins: ein Stadtlabor. Sabeth ist Mitorganisatorin und behält dort den Überblick. Für unsere Blogserie zum Thema Arbeit 2.0 habe ich sie getroffen.

 

Wer bist du?

Ich habe in Zürich Architektur und danach im Ausland Urbanistik studiert. Ich trage immer verschiedene Hüte und habe alle möglichen Jobs. Der Job, mit dem ich tatsächlich Geld verdiene, nimmt relativ wenig Platz ein und ich kann ihn mir sehr flexibel einteilen. Mit allem anderen verdiene ich nicht wirklich Geld, aber dort kann ich dann meine Hauptzeit investieren. Ich habe das Kollektiv zURBS, ein sozial-artistisches Stadtlabor und Nextzürich mitgegründet. Die beiden Vereine haben sich zusammen beim Tiefbauamt für den Pavilleon beworben, welcher jetzt von ihnen und einem Haufen anderer genutzt wird.

 

Was ist der Pavilleon?

Der Pavilleon wird als Sitzungszimmer, als Raum für gemeinsame Abendessen, Food-Sharing-Dinners, aber auch für Konzerte, Diskussionen, Theater, diverse Ausstellungen,  Kunst und Workshops genutzt. Das Konzept ist eine Art Stadtlabor. Das heisst, dass wir uns in verschiedenen Formaten, auch künstlerischen, mit dem Stadtraum beschäftigen. Und dies zusammen mit allen Leuten, die interessiert sind. Wir arbeiten mit den unterschiedlichsten Leuten und Initiativen zusammen. Es sind sicher 20 verschiedene Gruppen, die den Pavilleon mitunter nutzen. Alle, die sich hier engagieren machen das ehrenamtlich und aus ihrer eigenen Motivation heraus. Wir bekommen den Raum gratis und müssen nur Nebenkosten zahlen. Daher ist es auch unser Anliegen, dass wir ihn weitergeben an solche, die genauso nicht die Mittel, aber eine ähnliche Motivation haben. Im Moment ist das hauptsächlich Nextzürich. Mit Nextzürich machen wir eher sachliche Stadtforschung, Workshops und Vorträge zu konkreten Themen, die in der Stadt auf irgendeine Weise relevant sind, über welche die Leute zu wenig wissen oder bei denen die Leute mehr mitreden können sollten. Im Moment ist so ein Thema urbane Dichte, also auch städtische Verdichtung:  zum Beispiel muss in 20 Jahren nochmals ganz St. Gallen in Zürich Platz haben. Dann ist da die Frage, wie das gehen soll. Viele Leute haben Angst davor und wir überlegen uns, wie man diese Angst nehmen und  konstruktiv mit dieser Herausforderung umgehen kann. Vielleicht ist es ja auch eine Chance. Wir haben da sehr fest das Gefühl, dass Ideen bis zu Konzepten mit den Leuten zusammen entwickeln werden müssen. Dann ist ein Verständnis da und die Angst geht weg. Oder es ist nicht immer das Gefühl da, dass alles im Nachbardorf passieren soll und nicht bei uns. Wenn man nämlich gemeinsam genauer hinschaut, sieht man die Möglichkeiten im eigenen Quartier und dass diese gar nicht so schlimm oder sogar lässig wären. Wir bei Nextzürich übersetzten diese Ideen dann in ein Papier, eine Broschüre oder ein grösseres Konzept, über welches planerisch geredet werden kann. Mit diesen Konzepten wollen wir dann an die Politik herantreten oder der Verwaltung zeigen, was wir mit vielen Teilnehmenden gemeinsam entwickelt haben. Wir versuchen also die Konzepte aus der Community dorthin zu tragen, wo sie etwas verändern könnten.

 

Was gefällt dir an deiner Arbeit?

Dass sie sehr vielfältig ist. Und dass zum Beispiel am Pavilleon ein Haufen Leute Freude daran haben und wir den Raum mit vielen anderen, die auch auf ihn angewiesen sind, teilen können. Dass wir Möglichkeiten schaffen und weitergeben können. Das ist sowieso das, was ich fast in allen meinen Projekten versuche: Spiel- und Freiräume erforschen, schaffen und teilen. Der Pavilleon ist ein solcher Freiraum, frei von kommerziellem Druck, frei von fixen Regeln oder klaren Erwartungen... man darf hier experimentieren und man darf auch mal scheitern. Diese Freiheit tut mir sehr gut, und vielen anderen auch, glaube ich.

 

Was stört dich an deiner Arbeit?

Dass wir überhaupt kein Geld haben. Das macht wiederum aber auch frei und wir müssen keine Kompromisse eingehen. Sonst stört mich eigentlich nicht allzu viel, ausser dass oft gar nicht genau verstanden wird wir im Pavilleon machen, oder ich grundsätzlich im Leben, weil alles so vielfältig ist, dass es teilweise ungreifbar wird. Manchmal auch für mich selber. Ich werde dann zum Beispiel als Expertin irgendwo eingeladen, um über ein Thema zu sprechen und verstehe gar nicht genau warum oder welche meiner verschiedenen Rollen gemeint ist. Das verunsichert. Die verschiedenen Hüte sind einerseits schwierig zu vermitteln und anderseits bin ich dann selber  orientierungslos und frage mich, wer ich bin, was ich eigentlich mache und wo das hinführen soll. Ich habe also keine Ahnung, wo ich in zwei Jahren sein werde und was ich dann wohl machen werde.

 

Du hast also kein berufliches Ziel?

Überhaupt nicht. Ich glaube ich möchte hauptsächlich weiterhin meine eigene Chefin sein, weil ich selbst bestimmen will, wann und wo ich arbeite, und vor allem mit wem und wie. Also auch in welcher Form, nach welchen Regeln, was in welcher Reihenfolge etc. Es ist mir ausserdem wichtig eine sehr vielfältige, abwechslungsreiche Arbeit zu machen – mir wird nämlich schnell langweilig. Aber wo, mit wem oder was ich in 2 oder 10 Jahren arbeiten werde ist mir noch überhaupt nicht klar. Vielleicht entferne ich mich auch wieder vom Thema Stadt, wer weiss. Karriere-mässig habe ich auf jeden Fall nichts geplant.

 

Was ist das lustigste, was hier im Pavilleon je passiert ist?

Teilweise schon die Partys, die wie hier machen. Letztens hatten wir ein wirklich lässiges kleines Festival. Es hat mich doppelt gefreut, weil ich mal überhaupt nichts damit zu tun hatte. Es ist immer toll, wenn hier ein paar Leute etwas in die Hand nehmen, ich nichts damit zu tun habe und dann einfach als Gast sein kann. Es spielte eine coole Band nach der anderen und ungefähr 100 Leute hatten eine gute Zeit. Ich habe es dann richtig gefeiert, dass wir einen Raum geschaffen haben, in dem so etwas möglich ist. Oder auch dann, wenn wir den ganzen Platz nutzen um eine Silent-Disco zu machen und es hier ganz still ist, aber mit den Kopfhörern sogar noch vorne bei der Bahnhofstrasse getanzt werden kann. Das sind dann meine heimlichen Highlights.

 

Hast du einen Traum davon, was hier mal passieren soll?

Ich wünsche mir, dass wir mit diesem kleinen Pavilleon zeigen können, was der Werdmühleplatz alles kann. Die Stadt ist ja sehr skeptisch, wenn es darum geht heilige Regeln zu brechen. Uns geht es aber darum aufzuzeigen, dass dieser Platz komplett untergenutzt ist. In der Nacht können wir zum Beispiel laut sein und es stört niemanden, denn es wohnt hier auch niemand. Wir könnten auf diesem Platz eigentlich alles machen, was wir wollen solange wir ihn danach wieder aufräumen. Es gibt vermeintlich noch einige solche Plätze in der Stadt. Anstatt wegen Lärmkonflikten oder mangelndem Platz für Freiräume kategorisch gegen vermeintlich störende, ungewöhnliche, sichtbare oder laute Nutzungen zu sein, könnte genauer hingeschaut werden: vielleicht gibt es Orte und Plätze in der Stadt, bei denen die Regeln für alle gelockert werden könnten. Sie könnten dann vielfältiger genutzt werden, ohne dass irgendjemand dadurch in die Illegalität gedrängt wird. Es ist einer meiner Wünsche, dass wir in den zwei Jahren, die wir hier haben, dieses Potential exemplarisch aufzeigen können und  in das Bewusstsein der Verwaltung oder Politik bringen, dass mit öffentlichen Plätzen anders umgegangen werden kann.

 

Was ist dein Lieblingsplatz in Zürich?

Kommt sehr auf das Wetter drauf an. (lacht)  Ich liebe alles, was am Wasser ist. Ich bin ein Wasserkind. Meine Mutter ist Bademeisterin und seit ich sechs Jahre alt bin, habe ich in allen möglichen Freibädern in der Stadt Zürich meine Freizeit verbracht und ich kenne sie alle in und auswendig. Diese Badis waren meine Spielplätze als Kind. Dort fühle ich mich einfach immer wohl. Abgesehen davon mag ich ganz normale Orte, die man noch gut erobern kann. Wir haben ein Atelier im Kreis 4 mit einem sehr breiten Trottoir davor. Im Sommer räumen wir  alle Möbel auf die Strasse und arbeiten nur noch draussen. Dann wird das so ein lässiger Raum. Beim Pavilleon ist das ähnlich. Lieblingsplätze an sich habe ich eigentlich nicht, aber ich liebe immer die Momente, wenn sie lässig genutzt werden und plötzlich einen neuen Wert bekommen.

 

Das Fundbüro 2, ein Fundbüro für Immaterielles, welches dazu einlädt über den Wert von Dingen nachzudenken, ist nur eines der vielen Projekte, die zurzeit im Pavilleon stattfindenZum ganzen Programm.

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