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Schaustelle präsentiert: Cups

Die Schaustelle #Madeatdynamo ist der Weihnachtsmarkt der etwas anderen Art. Am 7. Und 8. Dezember verwandeln wir das Dynamo in eine alternative Weihnachtswelt. Die Schaustelle bietet eine bunte Mischung aus Markt und Workshops. In unserer Blogserie nehmen wir einige Akteur*innen genauer unter die Lupe. 

 

Schaustelle präsentiert: C U P S

Für die Einen Alltagsgegenstand, für die Anderen ein suspektes Objekt. Cups, auch Menstruationstassen genannt, sind aus Silikon und eine gute Alternative zu Tampons und Co., denn sie sind schonend für Körper und Umwelt. Cheyenne Oswald kreiert Cups aus Keramik. Diese sind nicht für Vaginas gedacht, sondern als Dekorationsgegenstände, die Diskussionen anregen sollen. Wir haben mit der jungen Künstlerin über Menstruation und ihr Schaffen gesprochen. 

Wer bist du?

Ich bin ich, versuche es zumindest meistens zu sein. Mein Name ist Cheyenne und mein bevorzugtes Pronomen sie. Aber wer bin ich? Ich bin eine fragende Person, die Gegebenes nicht einfach so als gegeben hinnehmen mag. Ich bin eine Person, die versucht, Zusammenhänge zu erkennen und nach anderen Sichtweisen zu fragen. Zurzeit befinde ich mich im Diplomjahr von meinem Bachelor in Kunst. Ich studiere in Basel.

 

Wie bist du auf die Idee gekommen Cups aus Keramik zu produzieren?

Im Januar 2017 wurde ich zum ersten Mal durch eine Architektur diskriminiert. Denn Gebäude können diskriminieren, Räume sind geplant und sie können einen wesentlichen Einfluss auf unser Leben haben.  

 

Kannst du das ein bisschen genauer erklären oder ein Beispiel nennen?

Ja. Ich menstruiere. Lange Zeit habe ich Tampons und Binden als Menstruationsprodukte verwendet, doch durch eine Freundin wurde ich auf die Menstruationstasse aufmerksam. Freudig habe ich diese ausprobiert, zuerst zu Hause. Am zweiten Tag ging ich damit zur Uni. Ganz selbstverständlich und vielleicht ein bisschen Tagtraum trunken ging ich zu den Toiletten und machte mich daran meinen Cup auszuführen. Puff, in diesem Moment platzte die Tagtraum-Blase um meinen Kopf. Ich realisierte, den Oberkörper nach vorne gebeugt, den Blick zwischen meine Beine gerichtet, die rechte Hand den Cup haltend, dass es keine Möglichkeit gibt, den blutigen Cup zu waschen. Das löste enormen Stress aus.

Ich hatte Horrorszenarien vor meinem inneren Auge, die ganze Kabine inklusive meiner Kleider würden in wenigen Sekunden mit Blut bedeckt sein. Mir war es ein enormes Anliegen, die Kabine so zu verlassen, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich leerte den Cup in die Toilette, nur kurz beeindruckt von diesem geschickten Akt, denn in dieser brenzliger Situation musste ich Prioritäten setzen. Mit links riss ich Klopapier ab und rieb das Blut weg, bevor ich aufstand und mit einer Hand meine Unterhose hochzog.

Ich war nervös-angespannt und entschied mich meine heruntergelassene Hose bei den Knöcheln zu lassen und so zum Waschbecken zu hopsen. Ich wusch die Tasse und meine Hände mit Wasser, hopste wieder zurück in die Kabine und führte sie wieder ein. Adrenalin pur. Meine Finger waren erneut voller Blut. Mit Klopapier in der linken Hand und alles sehr penibel abputzend, zog ich mit geschickter Beinakrobatik endlich die Hose hoch. 

 

Klingt anstrengend. Das machst du jetzt immer so? 

In der Tat sehr anstrengend. An diesem Tag noch vor dem Waschbecken stehend und die Hände trocken reibend, fragte ich mich, was hier gerade passiert ist. Voller Tatendrang machte ich mich auf die Suche nach anderen Toiletten an der Uni. Ich versuchte auch andere Waschlösungen zu finden. Am darauffolgenden Tag zum Beispiel probierte ich die mitgebrachte-Flasche-auf-dem-Klo-Variante aus, das ging zwar irgendwie, aber war sehr mühsam. Mein Umgang mit der Tasse ist jetzt übrigens viel geübter und ich konnte auch schon so einiges an Fachwissen an Co-Menstruierende weitergeben (für Kontaktanfragen wenden Sie sich ans Dynamo). Das waren unheimlich wertvolle Gespräche, weil es meist um viel mehr ging, als nur um die Silikontassen. Die Toilettenerfahrungen haben mir gezeigt, dass diese Räume nicht für mich und meine Bedürfnisse gebaut und ausgestattet sind. Toiletten verwehren aber auch anderen Personen Bedürfnisse, indem sie die ausschliessen, die sich zum Beispiel nicht mit der vorgegebenen Signaletik identifizieren können. Es stellt sich also die Frage: Wer hat diese Räume gestaltet? Für wen? Und mit welchen Absichten und Referenzen?

 

Die Erfahrungen mit deiner Menstruationstasse haben also grössere Fragen in dir ausgelöst? 

Schon, ja. Dieser Moment, von dem ich dir erzählt habe, war ein Schlüsselmoment in meinem Leben. Dazu beigetragen hat die Silikontasse. Schön ist, dass wir die Form des Gefässes in so vielen andere Kontexten wieder antreffen. Ob als Sprachrohr, als Heiliger Gral oder als Glocke - es handelt sich um eine Form mit hohem Wie­der­er­ken­nungs­wert. Ich habe mich zudem gefragt: Wie kann ein solches Thema Raum in unserem Alltag bekommen? Wie können wir eine Gesprächskultur ermöglichen, die solche Probleme angeht, während Gebrauchsobjekte wie z.B. die Menstruationstasse, seit jeher versteckt, klein und geheim gehalten werden müssen?

Deshalb habe ich begonnen Cups aus leicht vergrösserte Keramiken aus ’schönen’ Farben herzustellen. Wenn sie auf dem Küchentisch neben dem Salz- und Pfefferstreuer, im Bücherregal oder auf dem Schlüsselbrett neben der Tür liegen, eröffnen sie einen möglichen Gesprächsraum in unserem Alltag. 

 

Du sagst du möchtest mit deinen Cups Diskussionen anregen. Wie könnte das aussehen? 

Ein Keramikcup liegt auf dem Küchentisch neben Salz und Pfeffer. Freund*innen sind zum Abendessen zu Besuch. «Kannst du mir kurz das Salz reichen, bitte?», fragt eine Person am Tisch. Alle blicken suchend nach dem Salzstreuer.
«Wofür ist diese Glocke eigentlich?», möchte eine andere Person wissen.
Die gastgebende Person erklärt: «Das ist nicht so wirklich eine Glocke. Es sieht zwar aus wie eine, aber die Form ist an eine Menstruationstasse angelegt, die normalerweise aus Silikon ist. Dieses Keramikobjekt dient nicht zum Gebrauch, nur zur Anschauung.»
«Menstruationstasse, ah ja davon hab ich mal was gehört…»
«Ohh! Es ist das Beste!»
«Also wie jetzt, ich versteh nicht so ganz, was ist das genau?», fragt die Person, die noch immer den Salzstreuer in der Hand hält.
«Die Menstruationstasse ist eine Alternative zu Tampons und Binden. Sie ist für viele angenehmer zu tragen, ökologischer weil sie nicht nach jedem Gebrauch weggeschmissen wird und somit weniger Abfall macht und zudem die Ausgaben für Menstruationsprodukte drastisch verkleinert. Weil sie aus Silikon besteht und zur Desinfektion aufgekocht werden kann, ist sie auch hygienischer. Und für die Haut auch verträglicher, weil keine Chemikalien zum Bleichen eingesetzt wurden, anders als bei Tampons und Binden.»
«Aber wie kann denn eine menstruierende Person diese Tasse einführen, sie ist doch aus Keramik und sie könnte kaputt gehen, ist das nicht gefährlich?!»
Es wird gelächelt und dann erklärt: «Nein nein, die Menstruationstasse ist aus Silikon, einem beweglichen Material. Und diese Keramiktasse hier, ist eigentlich nur Dekoration, keine Angst.» - «Aber eine Frage habe ich noch immer, wieso liegt sie hier auf dem Tisch?»
«Weil wir sonst vielleicht nie über dieses Thema geredet hätten.»
«Das stimmt… Aber wie werden die jetzt genau eingeführt und allgemein so benutzt und gewaschen?…» Es wird gegessen und das Gespräch nimmt einen eigenen Lauf. 

Cups aus Keramik - Welcher Gegenstand soll denn als nächstes enttabuisiert werden?

Ich möchte aufhören, Dinge in meinem Leben verstecken zu müssen oder etwas zu verstecken, weil ich denke und das Gefühl bekomme, es muss versteckt werden. Meinen Vibrator beispielsweise habe ich stets präsent neben meinem Bett liegen. Ich schäme mich nicht mehr für meine Lust, damit ist Schluss! Die in vielen Kontexten auferlegte Scham und die Stigmas um so viele Themen, die mich und mein Frau-Sein betreffen (aber nicht nur!) löse ich von mir ab, ich befreie mich davon.

Cheyenne wird am 7. und 8. Dezember an der Schaustelle ihre Keramikcups ausstellen.